Hans Platschek
Acryl, Aquarell, Pastell, Kohle und Tusche,
102 x 72 cm, 1992, signiert

SELBSTBILDNIS

Die Selbstporträts kommen daher, daß man selber das billigste und geduldigste Modell ist. Ich hatte eine böse Geschichte, ich war drei Monate im Krankenhaus und hinterher habe ich diese Bilder gemalt: mit Krücke und mit Narbe. Nun hat man mir immer gesagt, der arme Mensch, der war krank und ist alt. Und da habe ich gesagt, als nächstes male ich Selbstbildnis mit abgeschnittenem Ohr. Märtyrer haben beim Bürgertum bessere Chancen als Kurzwarenhändler.

Auf dem Koppelschloß der SS stand während des Krieges „Unsere Ehre heißt Treue“. Da ich etwas gegen Krieg und Koppelschlösser habe, suche ich meine Ehre in der Untreue. Kunst soll laut Grundgesetz frei sein. Wenn man das wörtlich versteht, muß man jede Freiheit in Beschlag nehmen und alles probieren, wonach einem der Sinn steht. In den Sechzigern schrieb ich einmal, heute könne man keine Stilleben mehr malen. Seit Jahr und Tag male ich sogenannte Stilleben. Wie sagte Brecht? Wer auf mich baut, hat auf Sand gebaut.

in: Hans Platschek, Figuren und Figurationen
Über Malerei und mich selbst.
Edition Nautilus, Hamburg 1999

Platschek traut dem Bild etwas zu, …

von Helmut Heißenbüttel

Platschek traut dem Bild etwas zu, das er ihm in dieser Lapidarität früher nicht zugetraut hätte. Paradoxerweise (hier tatsächlich paradoxerweise) kann man sagen, daß er das tut, nachdem er Weisen des Zutrauens, die er früher gehabt hat, fallen lassen mußte. Als er anfing zu malen, in der Epoche des Tachismus oder Informel, hatte er dreierlei Zutrauen: Zutrauen zum Material, zum Betrachter und zu sich selbst. Er traute, wie andere,
dem Material der Bildherstellung zu, daß es von sich aus etwas herausgeben, öffnen könne. Er traute der Phantasie und dem Mitsehen des Betrachters zu, daß er das Bild aus dem Malvorgang herauslesen könne. Und er hatte sich selbst die Fähigkeit zugetraut, gleichsam im unbewußten Fluß ins Bild übergehen zu können, eins zu werden mit den Veranstaltungen, die, die malende Hand auf dem Bild bewirkte. Daß das zu einer zugleich
verchlüsselten und ästhetisierenden Bildform führen würde, hat Hans P1atschek in einer langjährigen Erfahrungszeit feststellen müssen.

Die erste Gegenantwort, die er Ende der sechziger Jahre im Bild zu formulieren suchte, bestand in monumentaler Entleerung und scharfer, die Grenze des Humors überschreitender Kritik. Und nachdem man sich gewöhnt hatte, ihn ins Fach Informel einzuordnen, wurde er nun allzu rasch in das des kritischen Realismus getan. Aber dabei blieb er nicht.

Die Interieurs und die Porträts zum Beispiel, die er in den siebziger Jahren gemalt hat, sind realistisch nur, insofern sie einen erkennbaren Gegenstand zeigen, kritisch allein in ihrer Ideologieferne. Ich habe die Stichwörter genannt, unter denen ich seine Aquarelle, als den vorerst letzten Höhepunkt seines Werkes zu sehen, zu verstehen vermag. Unter denen ich das versuche. Aber ich werde mich hüten, daraus ein Schlagwort zu konstruieren.

Daß die Bilder da sind, daß sie zu sehen sind, daß sie eine unmißverständliche und dennoch vielschichtige Sprache sprechen, daß sie reden und in ihrem Reden vielleicht der kühnste Versuch liegt, den P1atschek unternommen hat, daß sie das auf selbstverständliche Weise und ohne Aufwand tun: das alles, so meine ich, genügt, und Positiveres kann ich dazu nicht sagen.

Ausstellungskatalog, Hans Platschek Bilder, 1949 – 1988,
Kunsthalle zu Kiel vom 4. Dezember 1988 – 18. Januar 1989,
Museum Folkwang Essen vom 27. Januar – 26. Februar 1989,
sowie weitere Stationen

Hans Platschek, 1981